Multi-Asset Portfolioperspektiven: Bodenbildung geschafft?

Multi-Asset Portfolioperspektiven: Bodenbildung geschafft?

Kommentar, 22.11.2022​

Anzeichen einer Stabilisierung bei wichtigen globalen Aktien- und Anleiheindizes, gepaart mit einer Trendumkehr beim US Dollar Index, rücken derzeit die Frage nach einer Erhöhung des Investitionsgrades in den Fokus. Während die damit verbundene Hoffnung auf eine Verbesserung der Performance nach einem über weite Strecken mehr als herausfordernden Jahr zwar legitim ist, sollten dennoch einige Warnsignale berücksichtigt werden. Insbesondere bei Aktien lässt die im Vergleich zu anderen Krisenjahren verhältnismäßig geringe Kurskorrektur, vorerst nur eine moderate Erhöhung vernünftig erscheinen. Sowohl in Europa, aber auch in den USA, sind die makoökonomischen Ungleichgewichte – allen voran Inflation und öffentliche Verschuldung – zu groß, um rasch zur Tagesordnung übergehen zu können. Dank massiver fiskalischer Stimuli dürfte der Rückgang der privaten Konsum- und Investitionsgüternachfrage zwar deutlich weniger stark ausfallen, als noch in der ersten Jahreshälfte erwartet, die konjunkturelle Dynamik wird aber aller Voraussicht nach noch über längere Zeit unter gestiegenen Finanzierungskosten, einer höheren Steuer- und Abgabenquote und geringeren Impulsen aus dem globalen Handel leiden. Zudem bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich gelingt, die aktuelle Inflationsdynamik bereits in den nächsten Monaten dauerhaft abzumildern. Zu unklar ist Ausmaß und Wirkung der erst zeitverzögert einsetzenden Zweit- und Drittenrundeneffekte. Dennoch stimmen die nach wie vor sehr hohen Profitmargen gepaart mit der Hoffnung auf eine milde Rezession positiv für den mittelfristigen Marktausblick. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint ein Fokus auf Aktien großkapitalisierter Unternehmen, mit relativ stabilen Umsatz- und Profitabilitätskennzahlen, gepaart mit einer hohen Gewinnausschüttungsquote, nach wie vor vorteilhaft. Entsprechende Preissetzungsmacht bei diesen Unternehmen vorausgesetzt, sollte dieser Ansatz auch die nötige Absicherung gegenüber unerwarteten Preissteigerungen bieten. Kernallokationen in defensive Sektoren, kombiniert mit ausgewählten Titel aus den Sektoren Nahrungsmittel, Energie und Verteidigung, ist in diesem Zusammenhang jedenfalls weiterhin der Vorzug zu geben.

Auch bei globalen Anleihen dürfte übertriebene Euphorie weiterhin unangebracht sein. Während sich zwar sowohl in den USA wie auch in der Eurozone allmählich die Plafonds für Leitzinsen und somit eine Stabilisierung der Geldmärkte abzeichnet, dürfte es für mittel- bis langfristige Finanzierungen zinstechnisch weiterhin nach oben gehen. Dafür sprechen zinstreibende Effekte aus der Rückführung der Notenbankliquidität („Quantitatives Tightening - QT“) einerseits, aber auch der enorme Bedarf öffentlicher Finanzierung andererseits. In Hinblick auf das QT hat die EZB im Vergleich zur US FED einmal mehr enormen Nachholbedarf. Gleichzeitig werden typische konjunkturabhängige Mechanismen zu Verlusten in den riskanteren Subkategorien – allen voran High Yield Bonds – führen. Exzessive Einengungen bei Anleihespreads sind daher kurzfristig unwahrscheinlich. Ähnliches gilt für USD-Schwellenländeranleihen, vor allem unter Berücksichtigung des nach wie vor vergleichsweise starken US Dollars. Der Ausfall eines größeren Schuldnerlandes (zum Beispiel Türkei, Argentinien, Ägypten) könnte rasch eine Schockwelle quer durch das Emerging Markets Anleiheuniversum senden. ​

In Bezug auf Währungen ist hingegen aus EUR Sicht einer neutralen Positionierung der Vorzug zu geben. Während die Entwicklung der Zins-, Inflations- und Wachstumsdifferenzen zwar tendenziell weiter zugunsten des USD sprechen, reicht das Risiko-/Ertragsverhältnis nicht mehr zur Rechtfertigung einer ausgeprägten US Dollar Long-Positionierung. Ähnliches gilt für den Schweizer Franken und die norwegische Krone.

Rohstoffe sowie rohstoffproduzierende und -verarbeitende Unternehmen dürften hingegen weiterhin zu den klaren Gewinnern zählen. Bei fossilen Brennstoffe ist – trotz konjunktureller Abschwächung – das adaptive Angebotsmanagement wichtiger erdölproduzierender Länder ein wesentliches Argument dafür. Kurzfristige Substitutionseffekte auf Kosten der Gasnachfrage spielen ebenfalls eine Rolle. Aber auch im Gasbereich ist kurzfristig nicht mit einer Rückkehr auf frühere, deutlich niedrigere Preisniveaus zu rechnen. Zu gewichtig erscheinen die Ausfälle bei wichtigen Lieferanten und zu hoch die Anpassungskosten bei den Umstellungsprozessen, etwa auf Flüssiggas. Die Preise von Agrarrohstoffen und Grundnahrungsmitteln dürften ebenfalls für absehbare Zeit über ihren jeweiligen langjährigen Durchschnittswerten liegen. Die negativen Effekte des Klimawandels, höhere Düngemittelpreise und gestiegene Transportkosten untermauern diese Erwartungshaltung. Industrie- und Edelmetalle werden von der Stabilisierung der Realzinsen und einem etwas weniger starken US Dollar profitieren. Insbesondere Gold könnte in diesem Umfeld in den nächsten Monaten markantere Preissteigerungen erleben.



Mag. Manuel Schuster, IMC

CEO&CIO, FAME Investments AG